Die Invalidenversicherung fördert die Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen in das berufliche und soziale Leben. Die IV wird daher auch Eingliederungsversicherung genannt. Bei Kindern und Jugendlichen stellt sich in Bezug auf die Erwerbstätigkeit vor allem die Frage, ob die Beeinträchtigung eine Ausbildung oder spätere Berufsausübung erschwert.
Die Invalidenrente
Die Invalidenversicherung (IV) verfolgt den Grundsatz Eingliederung vor Rente. Das bedeutet, die IV finanziert und verfolgt Massnahmen, dass die versicherten Personen ins Berufsleben integriert werden oder in diesem verbleiben können. Damit eine Person eine IV-Rente erhält, muss die Eingliederung abgeschlossen oder nicht möglich sein. Um eine Rente zu erhalten, klärt die IV, in welchem Masse eine Person invalid ist. Eine Invalidität liegt vor, wenn aus gesundheitlichen Gründen eine Lohneinbusse entsteht. Die IV schaut dabei nicht nur auf die bisherige Tätigkeit, sondern auch auf andere zumutbare Tätigkeiten.
Arbeitsunfähigkeit
Gestützt auf einen ärztlichen Bericht prüft die IV, ob eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, die Auswirkung auf die Ausbildung, Lehre und Arbeit hat. Die Arbeitsunfähigkeit ist aber auch bei gut begründeten medizinischen Berichten nicht ganz einfach, da nicht immer klar ist, auf welche Tätigkeiten und Pensen sie sich bezieht. Bei der Einschätzung der medizinischen Situation kommt es immer wieder zu unterschiedlichen Sichtweisen der Ärzteschaft und der IV, was teilweise rechtliche Gründe hat. Die IV kann zur Klärung der Höhe der Arbeitsfähigkeit ein Gutachten anordnen.
Die IV interessiert nicht nur, ob die bisherige Tätigkeit noch möglich ist, sondern vor allem, welche Tätigkeiten für die betroffene Person zumutbar sind. Dabei eruiert die IV verschiedene Kriterien, die für eine zumutbare Arbeit erfüllt sein müssen, wie beispielsweise das zumutbare Arbeitspensum, allenfalls ein reduziertes Arbeitstempo oder zusätzliche Pausen sowie qualitative Merkmale der zumutbaren Arbeit, wie z. B. eine sitzende Tätigkeit oder weniger Verantwortung.
Invaliditätsgrad
Die Höhe der IV-Rente richtet sich nach dem Invaliditätsgrad (IV-Grad). Ein Anspruch auf eine IV-Rente besteht frühestens ab dem 18. Geburtstag und erfordert einen IV-Grad von mindestens 40 Prozent. Der IV-Grad ergibt sich aus dem Vergleich des Einkommens mit und ohne gesundheitliche Beeinträchtigung. Ab 70 Prozent IV-Grad erhalten Betroffene eine vollständige Rente. Diese beträgt zwischen CHF 1'260 und CHF 2'520 pro Monat, bei einer Frühbehinderung CHF 1’680 pro Monat (Stand 2025). Bei einem Invaliditätsgrad zwischen 40 und 69 Prozent wird die IV-Rente prozentual abgestuft.
Gut zu wissen
Bei der IV können nur konkrete einzelne Leistungen angemeldet werden. Das bedeutet, die IV prüft keinen Gesamtfall, sondern beurteilt einen spezifischen Leistungsfall. Solche Leistungen können beispielsweise sein: Die Kostenübernahme für eine bestimmte Behandlung, eine Hilflosenentschädigung oder eine Umschulung.
Für Eltern mit krebserkrankten Kindern und Jugendlichen sind in Bezug auf die IV zwei Dinge zentral:
- Jede konkrete Leistung muss angemeldet werden. Es gibt also weder eine Anmeldung des Gesamtfalls noch eine Anmeldung im Voraus, weil zum Beispiel aufgrund einer Erkrankung die Wahrscheinlichkeit gross ist, dass das Kind in Zukunft Unterstützung benötigen wird.
- Die IV übernimmt die Kosten für die medizinische Behandlung, wenn der Tumor als Geburtsgebrechen gilt. Wann ein Tumor als Geburtsgebrechen anerkannt wird, ist nicht immer klar und muss bei nahezu jeder Diagnose individuell geprüft werden.
Wann gilt ein Tumor als Geburtsgebrechen?
Blastome, also Neuroblastom, Hepatoblastom, Retinoblastom, Medulloblastom und sehr seltene Pankreatoblastome, gelten klar als Geburtsgebrechen. Auch die meisten Hirntumoren können wir der IV zuschreiben. Bei den Leukämien jedoch nur, wenn sie im ersten Lebensjahr diagnostiziert werden. Andere Tumoren, vor allem Knochentumoren, Sarkome oder Lymphome, gelten als im Kindesalter erworben. Bei diesen Tumoren ist nicht die IV, sondern die Krankenkasse für die Übernahme von Leistungen zuständig.
Prinzipiell empfiehlt es sich, bei jeder Diagnose genau hinzusehen, ob daraus eine IV-pflichtige Leistung resultiert oder nicht.
Zu einer Änderung kommt es beim Übertritt ins Erwachsenenalter, weiss die Rechtsanwältin Irja Zuber von Procap: «Der Leistungsanspruch für medizinische Massnahmen im Falle von Geburtsgebrechen bei der IV verfällt mit 20 Jahren. Für welche Leistungen die Krankenkasse aufkommt, muss ab diesem Zeitpunkt neu geprüft werden.»
Welche Leistungen sind bei der IV versichert?
Unabhängig davon, ob die IV für medizinische Behandlungskosten aufkommt, hat das Kind unter Umständen Anspruch auf andere Leistungen der IV wie Hilflosenentschädigung, Intensivpflegezuschlag, Assistenzbeitrag, berufliche Massnahmen oder Rente. Unter diesem Link finden Sie verschiedene IV-relevante Formulare: Leistungen der IV | Formulare | Informationsstelle AHV/IV
Bei der IV sind folgende Leistungen versichert
Medizinische Behandlungen bei Geburtsgebrechen
Medizinische Massnahmen bei Minderjährigen ohne Geburtsgebrechen
Einzelne medizinische Massnahmen
Hilfsmittel
Hilflosenentschädigung (HE)
Intensivpflegezuschlag (IPZ)
Lebenspraktische Begleitung
Assistenzbeitrag
Ergänzungsleistungen
Erwachsene Personen, die beispielsweise eine IV-Rente oder Hilflosenentschädigung erhalten, haben Anspruch auf Ergänzungsleistungen (EL), wenn die ausbezahlte Rente die minimalen Lebenskosten (Existenzminimum) nicht decken kann. Zudem werden Krankheits- und Behinderungskosten ausbezahlt, die von der Krankenkasse nicht gedeckt werden. Die EL gehört zur 1. Säule und ist nicht dasselbe wie Sozialhilfe.
Wer hat Anspruch auf Ergänzungsleistungen?
Wenn die sogenannten anrechenbaren Ausgaben die anrechenbaren Einnahmen übersteigen, besteht ein Anspruch auf EL. Die anrechenbaren Ausgaben umfassen beispielsweise der allgemeine Lebensbedarf, die Krankenkassenprämien oder der Mietzins.
Anmeldung für Ergänzungsleistungen
Die EL können mit einem Formular der AHV (IV-Zweigstelle des Wohnortes) beantragt werden. Dafür müssen Einkommen, Ausgaben und Vermögen offengelegt und dokumentiert werden. Die finanzielle Situation der Eltern ist nicht relevant, es sei denn, das erwachsene Kind (Antragssteller:in) befindet sich noch in einer Erstausbildung.
Der Anspruch auf medizinische Massnahmen der IV erlischt nach dem 20. Geburtstag. Wenn berufliche Massnahmen laufen oder absehbar sind und weiterhin Eingliederungsbedarf besteht, kann eine Verlängerung bis zum 25. Altersjahr beantragt werden. Die Hilflosenentschädigung kann auch im Erwachsenenalter beansprucht werden, ebenso der Assistenzbeitrag.
Kantonale IV-Stellen
Eine Liste mit den kantonalen Stellen ist auf der Webseite der Informationsstelle AHV/IV zu finden: IV-Stellen | Kontakte | Informationsstelle AHV/IV