Moreno Isler

Der Weg zurück nach einem Hirntumor

Auf die Piste, fertig, los!

Die Sonne strahlt vom blauen Himmel, die Sicht ist klar und der Neuschnee glitzert. Moreno klickt sich in die Bindung seiner Ski und gleitet schwungvoll den Abhang hinunter. Das ist Freiheit. Das ist Glück. Hart erkämpft und geduldig erarbeitet. 

Nachdem bereits mit elf Jahren erste Symptome aufgetreten waren, wurde bei Moreno mit 14 Jahren ein Hirntumor diagnostiziert. Ein Schock für ihn und seine Familie, aber gleichzeitig auch eine Erleichterung, endlich zu wissen, woher die Symptome kamen.


Einschneidende Folgen

Auf die Diagnose folgten drei Operationen – die längste dauerte elf Stunden – und eineinhalb Jahre Behandlungen mit mehreren Zyklen an Chemotherapie und Bestrahlung.

«Nach der Therapie spürte ich mich nicht mehr.» Moreno musste die erste Sekundarstufe wiederholen, während seine ehemaligen Schulfreund:innnen in die dritte Sekundarstufe kamen. «Mental war ich weit entfernt von meinem alten ‘Ich’ und körperlich gab es Einschränkungen. Es fühlte sich an, als hätte ich wichtige Jahre meines Lebens verloren.» 

Durch die Krebsbehandlungen waren unter anderem die Fein- und Grobmotorik, das Hör- und Sehvermögen sowie seine Gedächtnisleistung beeinträchtigt. Lebenswichtige Hormone muss er seither spritzen. Sport, der ihm früher so viel Freude bereitet hatte, konnte er nicht mehr ausüben. «Ich bin früher mit den Skiern jede Piste runtergebrettert, habe damit Saltos und Kunststücke gezeigt, habe geturnt und Fussball gespielt. Vor dem Krebs war ich fit, war viel draussen und gut in der Schule. Danach konnte ich nicht mal mehr Velofahren. Dass ich jemals wieder Skifahren könnte, war unvorstellbar.» 

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Moreno fährt im Dezember 2017 zum ersten Mal wieder Ski.

Geduld als Schlüssel zum Erfolg

Was Moreno half, war die Geduld, die er während seiner Krankheit erlernen musste. «Geduld ist meine grosse Stärke. Während der Krebserkrankung und den Jahren danach musste ich oft warten. Sei es auf den nächsten Termin, die Ergebnisse einer Untersuchung, bis ich meine Freunde wieder sehen durfte, bis ich eine Fähigkeit wieder neu erlangt hatte. Auszuhalten und den Glauben an mich selbst zu stärken, habe ich damals verinnerlicht.» 

Auch während der intensiven Bestrahlung brauchte Moreno viel Geduld und Ausdauer. Über einen Zeitraum von sieben Wochen musste Moreno während fünf Tagen pro Woche in Heidelberg bestrahlt werden. Bei diesem Vorgang durfte er sich nicht bewegen und nicht sprechen. «Meine Mutter hat mich darauf gebracht, dass ich versuchen soll, meine Gedanken aktiv und positiv zu steuern. Ich habe mich bewusst an einen schönen Ort versetzt, habe über meine Zukunft nachgedacht oder mir vorgestellt, dass ich zum Beispiel ein Flugzeug fliege.» 

Neben seiner Familie war auch Robin eine grosse Stütze. «Robin und ich haben uns im Spital kennengelernt. Wir sind etwa gleich alt und hatten dieselbe Diagnose.» Robin hat ihm geholfen, seinen Blick auf die positiven Aspekte zu richten und wurde zu einem wichtigen Begleiter. «Robin hat mir gezeigt, dass es immer einen Weg gibt, selbst in den schwierigsten Zeiten.» Die beiden treffen sich auch heute noch und engagieren sich aktiv für die Fachstelle Survivors von Kinderkrebs Schweiz.

Der berufliche Weg – eine erfüllende Wendung

Die Krankheit hatte Moreno nicht nur körperlich verändert, sondern auch seine Berufspläne. Da er seinem Wunschberuf als Elektriker aufgrund seiner eingeschränkten Feinmotorik nicht nachgehen konnte, streckte Moreno seine Fühler in verschiedene Richtungen aus. Bei der Berufsberatung der IV hat sich eine ungeahnte Leidenschaft zur Arbeit im psychosozialen Bereich entwickelt. «Bei meiner Arbeit mit Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen kann ich sehr viel bewirken, nicht nur für andere, sondern auch für mich selbst.», sagt der gelernte Fachmann Betreuung begeistert. «Geduldig zu sein, kommt mir hierbei zugute.»

Der Mut, das Unmögliche zu versuchen

Aber nicht nur beruflich hat sich Moreno neu erfunden – auch sportlich hat er sich zurückgekämpft. Nach der Therapie, im Alter von 16 Jahren, wollte er unbedingt wieder Skifahren lernen. Schritt für Schritt, am Förderband, begann er, die Bewegungen neu zu erlernen. Heute fährt er wieder auf den schwarzen Pisten. «Es fühlt sich gut an, die Berge wieder zu geniessen. Auch wenn ich noch keine Saltos machen kann.»

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Moreno beim Skifahren im Winter 2025: Das ist Freiheit. Das ist Glück. Hart erkämpft und geduldig erarbeitet.

Heute – ein Leben, das er selbst gestaltet

Moreno hat in den vergangenen Jahren viel über sich gelernt – über Geduld, Resilienz und vor allem über den Glauben an sich selbst. «Ich habe nie viel über die Krankheit nachgedacht, während ich im Spital war. Ich habe einfach gemacht, was ich tun musste. Geholfen hat mir der Glaube, dass es gut kommen würde.» Auch wenn er körperliche Einschränkungen hat, wie der unausgeglichene Hormonhaushalt oder die Beeinträchtigung des Sehnervs und des Gehörs, sie definieren ihn nicht.

Moreno lebt heute ein Leben, das er selbst gestaltet und er weiss, egal wie steil die Piste ist, es geht nicht darum, wie schnell man fährt, sondern, dass man seinen eigenen Weg findet.