Mit nur zehn Jahren wurde bei Robin ein Medulloblastom, einer der häufigsten bösartigen Hirntumoren bei Kindern, festgestellt. Fast 20 Jahre später ist Robin IT-Product Owner, Mentor und Vorbild.
Der junge Mann sitzt am Bildschirm und hantiert mit seinen Kopfhörern, als er sich zum Online-Gespräch mit Kinderkrebs Schweiz trifft. Das Mikrofon will nicht funktionieren. Doch er bleibt gelassen. Als IT-Spezialist hat er keine Angst vor technischen Hürden, und noch weniger lässt er sich von Problemen aus der Ruhe bringen. Diese Gelassenheit hat er sich in der schwierigsten Phase seines Lebens erarbeitet – während seiner Krebserkrankung.

«Für mich war von Anfang an klar, dass ich das schaffe. Aufzugeben war nie eine Option. Diese Kraft war einfach in mir drin.»
Anderssein und sich anders fühlen
Nach der Genesung war Robins Weg nicht immer leicht. Die Folgen der Behandlung prägten ihn – körperlich und mental. Teilweise war Robin so geschwächt, dass er die rund 1.5 km Schulweg nicht einmal mit dem Fahrrad zurücklegen konnte. «Ich habe dann eine Sondererlaubnis bekommen und durfte mit dem Töffli hinfahren.». Sein Haar wuchs nach der Therapie nicht mehr nach, was häufig für neugierige und teilweise auch skeptische Blicke sorgte. Robin liess sich davon nicht beirren. «Ich wollte zurück ins Leben und mich nicht in einer Opferrolle verkriechen.»
Doch die Krankheit veränderte nicht nur sein Äusseres, sondern auch seine innere Welt. Während andere in seinem Alter über Alltägliches sprachen, beschäftigte Robin sich mit tiefgründigen Fragen und seiner Zukunft. «Ich habe mich weniger mit den typischen Themen für Zwölfjährige befasst und mehr auf die Schule und langfristige Ziele konzentriert.»
Das kommt ihm heute zugute, ist Robin überzeugt. «Während viele Gleichaltrige ständig die Studienrichtung wechseln, weil sie nicht wissen, was sie wollen, habe ich ein FH-Bachelor-Studium in Wirtschaftsinformatik abgeschlossen und kann einen Beruf ausüben, der mir grosse Freude bereitet.»
Neue Herausforderungen annehmen
Die Spätfolgen seiner Krankheit begleiten Robin bis heute. Er trägt einseitig ein Hörgerät und vor Kurzem erforderte eine verkalkte Herzklappe eine Operation. «Das war nicht ohne – vor allem nach über 15 Jahren ohne grössere Eingriffe.». Seine innere Kraft, die ihn während der Erkrankung und Therapiezeit motiviert und angetrieben hat, half Robin auch in dieser Situation. Er hat gelernt, Herausforderungen zu akzeptieren und sie aktiv anzugehen. «Ich gebe nicht auf und lasse mich durch neue Situationen auch nicht so schnell unterkriegen. Ich versuche, im Rahmen meiner Möglichkeiten, dazu beizutragen, dass die Situation besser wird.». In diesem Fall war es die tägliche Bewegung, die ihm gutgetan hat. «Ich wollte auf keinen Fall lange ans Bett gefesselt sein.»
«Es bringt nichts, den Kopf in den Sand zu stecken. Es geht darum, handlungsfähig zu bleiben und das Beste aus der Situation zu machen.»
Eine sichere Bindung und ein stabiles Umfeld
Die Fähigkeit zur Resilienz, der Widerstandskraft der Seele, ist keine angeborene Fähigkeit. Resilienz entwickelt sich und kann gezielt gestärkt werden. Gerade Kinder zeigen in Krisensituationen wie beispielsweise bei einer Krebserkrankung oft eine bemerkenswerte innere Stärke und Motivation im Umgang mit der Krankheit. Ein starkes Umfeld mit vertrauensvollen Bezugspersonen ist ein Faktor, der die Resilienz von Kindern begünstigt.
Neben seiner Familie fand Robin Halt in der Normalität des Schulalltags. «Das war mein Rettungsanker.». Auch während der Chemotherapie nutzte er jede Gelegenheit, um am Unterricht teilzunehmen – oft mit Mundschutz, weil sein Immunsystem geschwächt war. Unterstützt von einer verständnisvollen Lehrperson und einer aufgeschlossenen Klasse, konnte er schnell wieder im gewohnten Leben Fuss fassen. Besonders seine jüngere Schwester, die dank ihres Talents zwei Klassen übersprungen hatte und nun seine Mitschülerin war, half ihm, immer nah am Unterrichtsstoff zu bleiben.
Die innere Stärke und die intrinsische Motivation, die viele erkrankte Kinder im Umgang mit ihren Krankheiten zeigen, sind bemerkenswert. Für diese Widerstandskraft gibt es verschiedene Gründe.
Faktoren die Resilienz fördern
Kinder leben im Moment
Sichere Bindung
Natürliche Resilienz und Optimismus
Neugier statt Angst
Unterstützung durch Fantasie
Selbstwirksamkeit als Lebensphilosophie
Selbstwirksamkeit ist ein besonderes Merkmal von Resilienz. Ganz bewusst die Entscheidung zu treffen, ins Tun zu kommen, dabei auf die eigenen Kompetenzen sowie Fähigkeiten zu vertrauen und Auslöser für Stress als Herausforderungen statt als Bremse anzusehen. Eine Eigenschaft, die Robin verinnerlicht hat.
Sich selbst akzeptieren und andere inspirieren
Robin hat es sich zur Aufgabe gemacht, anderen Menschen Mut zu machen. Über ein Mentoring-Projekt unterstützte er während seiner Therapiezeit einen jungen Patienten, der sich in einer ähnlichen Situation befand wie er selbst. Heute engagiert er sich zusammen mit der Fachstelle Survivors von Kinderkrebs Schweiz für andere Childhood Cancer Survivors.
Nach der Krebsbehandlung sind Robins Haare nicht mehr nachgewachsen und die Therapie hat sein Körperwachstum gehemmt. Für Robin ist das kein Makel, sondern seine Identität. «Anderssein macht uns Menschen einzigartig. Ich akzeptiere mich so, wie ich bin. Mein Aussehen ist ein wichtiger Teil von mir, aber nicht alles. Es ist schade, dass die Gesellschaft oft nach einer Norm strebt.». Diese Haltung macht ihn bei Survivor-Treffen von Kinderkrebs Schweiz zu einem Vorbild für andere.
Robins mentale Stärke, seine Selbstakzeptanz und sein Wille, das Beste aus dem Leben zu machen, sind bereichernd. Als er seine Kopfhörer beiseitelegt und den Online-Call beendet, wirkt seine inspirierende Ausstrahlung noch eine ganze Weile nach.